» DAS RICHTIGE WÄRE, ZUERST DIE
CO2-EMISSION DER STROMERZEUGUNG
ZU REDUZIEREN UND DIE NÖTIGE
LADEINFRASTRUKTUR ZU SCHAFFEN.
DANN KÖNNEN ELEKTROAUTOS
DIE GLOBALEN CO2-EMISSIONEN
NACHHALTIG REDUZIEREN. «
DR. GÜNTER FRAIDL,
Senior Vizepräsident des Geschäftsfeldes
Powertrain Systems for Passenger Cars, AVL
F O C U S 1 1
meist volatil, aber da hier alles zentralistisch
geregelt wird, bleibt sie
durchaus vorhersehbar”, mutmaßt er.
EMISSIONEN WERDEN
ZUM POLITIKUM
Während die europäische Gesetzgebung
schon vor dem Diesel-Skandal
alte Schwächen der Emissionsgesetzgebung
erkannt hatte und ein neues
Testverfahren – den WLTP – und
das Thema „Real Driving Emissions
(RDE)“ auf Schiene brachte, hat die
Automobilindustrie in der Folge des
Skandals stark an Glaubwürdigkeit
verloren. Günter Fraidl vertritt die
Ansicht, dass „dadurch die Industrie
derzeit nur mehr eine eingeschränkte
Diskussionsbasis mit der Gesetzgebung
hat. Selbst klar nachvollziehbaren
Argumenten der Hersteller wird
kaum Beachtung geschenkt, weil das
Vertrauen in die Automobilindustrie
stark beeinträchtigt ist.” Regierungen
auf der ganzen Welt haben nach
dem Diesel-Gate schnell ihre Ansichten
zum Thema Schadstoffemissionen
politisiert. Einige, so auch Günter
Fraidl, glauben, dass dies eine Reflexhandlung
war: „Neue Fahrzeuge,
die der RDE-Gesetzgebung entsprechen,
weisen im praktischen Fahrbetrieb
derart niedrige Schadstoffemissionen
auf, dass sie keinesfalls mehr in
einem negativen Licht gesehen werden
dürfen. Das bedeutet aber auch, dass
man für eine weitere Verbesserung der
Emissionssituation sinnvollerweise
andere Emittenten als nur den PKW
ins Auge fassen muss.” Aber, so Fraidl
weiter, vielfach zwingen politische Aspekte
den Herstellern eine rasche Ausrollung
batteriebetriebener Fahrzeuge
als zentrale Lösung für CO2-Emissionen
auf, obwohl weder die Infrastruktur
noch eine CO2-neutrale Stromversorgung
in ausreichendem Ausmaß
vorhanden sind. „Das Richtige wäre,
zuerst die CO2-Emission der Stromerzeugung
zu reduzieren und die nötige
Ladeinfrastruktur zu schaffen”, hält
Günter Fraidl fest. „In Anbetracht der
noch hohen CO2-Emission der globalen
Stromerzeugung ist es derzeit
eher unerheblich, ob CO2-neutraler
Strom im PKW oder in anderen
Anwendungen verwertet wird. Eine
effiziente und nachhaltige CO2-Reduzierung
erfordert einen wirklich
umfassenden Ansatz und nicht nur
lokale Optimierungen“.
Wenn es um die Reduktion von Emissionen
geht, liegt das Hauptaugenmerk
aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte
und der damit einhergehenden
Verkehrsbelastung im Stadtbereich.
E-Autos sind die ideale Lösung für
kurze Fahrten und die Transportlogistik.
Aber auch hier muss eine intelligente
Ladesteuerung und Infrastruktur
geschaffen werden, um eine breite
Kundenakzeptanz zu erreichen. „Die
Bereitstellung von auch nur annähernd
vergleichbaren Energiedichten wie bei
den flüssigen Kraftstoffen würde die
Errichtung eines kleinen Kraftwerks
hinter jeder elektrischen Großtankstelle
mit Schnelladestationen bedeuten”,
so Fraidl.
CITY ACCESS
Die tatsächliche Problematik in Ballungsgebieten
stellen jedoch nicht die
CO2-, sondern die Schadstoffemissionen
dar. „Ein unmittelbar umsetzbarer
Vorteil der elektrischen Antriebe
ist das Vermeiden lokaler Schadstoffemissionen.
Damit können elektrische
Antriebe insbesondere in immissionskritischen
Ballungsgebieten
einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung
der Imissionssituation liefern“
, so Fraidl. „Eine Beschränkung
des Innenstadtzugangs auf schadstofffreie
Fahrzeuge („City Access Limitation“)
könnte hier praktisch über
Nacht einen Umbruch des Käuferverhaltens
und einen raschen Durchbruch
der elektrischen Fahrzeuge bringen.
Allerdings werfen die heute noch
hohen Kosten solcher Fahrzeuge nicht
zuletzt auch Fragen hinsichtlich sozialer
Verträglichkeit auf. “
„Die Kreativität und Innovationskraft
von AVL ist außergewöhnlich”, betont
Fraidl und hebt die Herangehensweise
von AVL an aktuelle Themen
wie City Access und dessen Einfluss
auf Antriebstechnologien und Hersteller
hervor. „AVL beschäftigt sich